Der Spiegel Nr.29 / 10 Juli 1967 - Eschkol-Augstein
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Der Spiegel Nr.29 / 10 Juli 1967 - Eschkol-Augstein

Titelbild: Spiegel-Gespräch - Eschkol-Augstein - Israels Premier Eschkol

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Original Inhaltsbeschreibung:

Spiegel-Verlag/Hausmitteilung vom Datum: 10. Juli 1967 - Betr.: Degout

Wer aufrichtig genug ist, seine Urteilslosigkeit einzugestehen, und noch nicht so abgestumpft, die neuesten Vietnam-Kriegsberichte beim Umrühren des Frühstückstees querzulesen, der muss sich in Deutschland quälen um eine eigene Antwort, was der Vietnam-Krieg nun eigentlich ist: eine Bewäh­rungsprobe des Westens und seiner Schutzmacht, über der im Falle des Versagens zunächst Südostasien , dann ganz Asien verloren geht und schliess­lich das Weltsystem der freien Demokratien zer­fällt wie eine gerissene Perlenkette, oder ein schauriges Blutgericht an alten und geschäftigen Völkern um ihrer verderbten Herren willen? Gewiss also wäre es ein Versäumnis, dem deutschen Leser Vietnam-Beiträge vorzuenthalten, die Amerika in der "New York Review of Books" und England im "Observer" las, die Beiträge von Mary McCarthy - jawohl, jener Mary McCarthy, die in Deutschland ein Publikum seit ihrer kühl-detaillierten Beschreibung einer Deflo­ration in dem Roman "Die Clique" hat (52 Wochen SPIEGEL-Bestsellerliste). Seither holt Deutschland die literarische McCarthy nach, ihre früheren und Frühwerke wurden eilends verlegt und warfen An­schlusserfolge ab. Von der Essayistin und Rezensentin Mary McCarthy, die sie von Hause aus ist, weiss das Mary McCarthy deutsche Buchkonsumpublikum nichts. Im Frühjahr ist sie nach Vietnam gegangen und hat Saigon bei Nacht, den Luftkrieg aus der Luft, die Evakuiertenlager , die amerikanischen Zivilisierungs-Experimente und den deutschen Malteser-Hilfsdienst bei seinem
Menschlichkeitsbetrieb gesehen. Der Literatur gilt die McCarthy als journalistisch und fakten­besessen. Als Journalistin geht sie in literari­sehe Position. Sie berichtet nicht, sondern lässt Wahrnehmungen in Assoziationen umschlagen und beleuchtet die Szene mit Elmsfeuern des Intellekts. Eher könnte man im Ameisenhaufen eine einzelne Ameise verfolgen als eine vietna­mesische Szene Mary McCarthys bis zu rezipier­baren Feststellungen. Was sie aussetzt an dem bornierten Apostolat einer Napalm- und Trocken­milch-Armee, an einem Gouvernemeht, das den Leiden asiatischer Völker mit Begriffpschablonen wie "Infrastruktur" und "Semantik" beizukommen vermeint, an der Idee einer Pax Americana, die Gewässerlandschaften von urtümlicher Schönheit mit Hühnerknochen und Bierdosen bedeckt - es ist nicht journalistische Gedankenführung, sondern politischer Degout . "Dies wäre in der Tat das Schlimmste, das unserem Land widerfahren könnte: ein Sieg in diesem Krieg" - dieser Satz schliesst die Schilderung eines Duells zwischen einem rad­fahrenden Gewehrschützen des Vietcong und einem bombenden Piloten der USA und gab der SPIEGEL­ Serie von Mary McCarthy (Seite 79) den Titel.

10 Juli 1967

Seitenanzahl: 122 Seiten

Sprache: Deutsch

DS-DE.1967.nr.29

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