Frankfurter Allgemeine Magazin Heft 189 / Okt. 1983 - Erté
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Frankfurter Allgemeine Magazin Heft 189 / Okt. 1983 - Erté

Titelbild: Ein Genie des Dekors, ein Meister in der Kunst zu leben: Romain Tirtoff, berühmt als Erté, bezaubert die Welt seit sieben Jahrzehnten mit seiner mondänen Phantasie

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Original Inhaltsbeschreibung:

  • Über Leute
  • Fragebogen: Adolf Muschg
  • Künstler, Lebenskünstler: Die mondäne Grafik des Romain Tirtoff: Wilfried Wiegand, Fotos Serge Cohen
  • Cartoon: Almut Gernhardt
  • Geschunden, verschwunden: Die bewegenden Schtetl-Fotos des Roman Vishniac: Erwin Leiser, Fotos Roman Vishniac
  • Kalender der Woche
  • Vom Genießen: Odysseus im Korbstuhl: Dietmar Polaczek, Illustration Hans Hillmann
  • Ein bißchen kühn, ein bißchen kitschig: Der Bopn von St. Louis: Freddy Langer, Fotos Joel Meyerowitz
  • Gartenlust: Steine zum Bedenken: Johannes Roth, Foto Marion Nickig
  • Schach: Roswin Finkenzeller
  • Matchbox: Kreuzwort, Ortstermin, Streichholzspiel

Über die Epoche hinweg oder Aus der Zulunft läßt sich was machen

Jeder kann Geschichte machen, maulte Oscar Wilde mal, aber, fügte er triumphierend hinzu, nur wenige können sie schreiben. Der eine belegt sie bloß, der andere aber prägt sie groß mit seinem Namen. Ein so epochaler Name wäre Romain Tirtoff — wenn man ihn kennte. Man kennt ihn besser am Laut gemalter Initialen „R. T." — Erte also, wie er auch diesen verlockend gelockten Idealprospekt der Riviera unten rechts signierte. Das war 1980, womit der heute neunzigjährige Erte bewies, daß er den Bogen noch so raus hat wie schon 1912, dem Jahr, in dem er auf sich aufmerksam machte. Die Geschichte des Art deco kann ohne ihn nicht mehr geschrieben werden, obwohl er diese Festlegung seines Stils allzu pinselig findet. Er zeichne und tusche und husche über alle Epochen der Kunsthistoriker: „Ich denke nie daran, was gestern war. Die Frage, was morgen geschieht, ist viel aufregender. Aus der Zukunft läßt sich was machen!" Ein Satz aus kreatiefstem Herzen und nach dem Herzen aller, die spüren, daß Geistesstärke in Rastlosigkeit und Gebrauch wurzelt. Wer rastet, der rostet. Das dachte auch der Architekt Eero Saarinen, der in diesem Heft zeigt, welchen Bogen er raus hat: Den rostfreien aus Edelstahl, jenen in St. Louis, der mit seiner riesigen, spannweiten Dimension Weltwunder wirken will. Noch tausend Jahre soll das Jahrhundertwerk seine mathematische Ideallinie über das historische „Tor zum Westen" wölben. Zur Form geronnene amerikanische Geschichte und zweite Geschichte unseres Heftes, in der Saarinen zum Motto macht: „Ei-ne absolut einfache Form schien mir die Basis für alle großen Denkmäler zu sein, die ihre Bedeutung und Erhabenheit über die Epochen hinweg beibehalten haben." Dies gilt auch für den dritten * Bildbericht dieses Heftes, in dem Fotos die ; Geschichte festschreiben. Der Fotograf Roman Vishniac hat kurz vor Kriegsausbruch Osteuropas Schtetl und Gettos mit ahnungsvoll angehaltenem Atem durch den Sucher seiner verborgenen Kamera gesehen, einen der letzten vorurteilsfreien Blicke auf jene verschwundene Welt gerichtet. Erinnerung, sagt Shakespeare, ist der Wärter unseres Geistes. In seinem Sinne: Drei Geschichten, die Geschichte haben.

Udo Pini

Heft Nr. 189 / 41 Woche vom 14 Oktober 1983

Seitenanzahl: 66 Seiten

FAM-DE.1983.nr.189

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