Frankfurter Allgemeine Magazin Heft 113 / April 1982 - Männer
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Frankfurter Allgemeine Magazin Heft 113 / April 1982 - Männer

Titelbild: Männer beim Bier — eine alltägliche Szene. Oder nicht? In Münster beispielsweise. der westfälischen Universitätsstadt, ha-ben Wirtshäuser und Stammtischrunden noch jene bodenständige Behaglichkeit, die der Bürger einst liebte und heute meist vermißt. Und die Studenten? Sie sind immer noch mittendrin

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Original Inhaltsbeschreibung:

  • Über Leute
  • Filme aus Licht: Douglas Sirk: Brigitte Jeremias, Foto Calle Hesslefors
  • Schönheit im Halbschatten: Stella Baum und Johannes Roth
  • Rhododendron: Fotos Marion Nickig
  • Für jeden Tag eine Kneipe: Münster: Jürgen Busche, Fotos Klaus Bossemeyer
  • Waren-Welt: Telephone: Horst-Dieter Eben
  • Kalender der Woche
  • Fragebogen: Nadja Tiller
  • Schach: Roswin Finkenzeller
  • Matchbox: Worum geht's?
  • Matchbox: Kreuzwort, Ortstermin, Streichholzspiel
  • Titel

Das arme Mannes Seligkeit oder Das Glück hat Ecken und Kanten

Im Gegensatz zum Glück in der Liebe wird das Glück im Spiel nicht selten von einem durch sechs kongruente Quadrate begrenzten Körper beherrscht. Die Quadrate stoßen, so will es die Definition, in zwölf gleich langen Kanten aneinander; die Kanten treffen sich in acht Ecken, in jeder Ecke stoßen jeweils drei Kanten rechtwinklig aufeinander, und jede Fläche dieses Körpers steht senkrecht zu jeder ihrer Nachbarflächen. Wem dann der große Wurf gelungen, der wird bestätigen: Das Glück kommt nur über Ecken und Kanten ins Spiel. Im übrigen sollte, wer sein Glück dem Würfel anvertraut, die Sieben zur Glückszahl wählen. Denn wie der Würfel auch fällt, die Augen der einander gegenüberliegenden Flächen ergeben zusammengenommen immer sieben. Gebildeten Ständen ist es unmöglich, vom Würfel zu reden, ohne mit Caesar den Rubikon zu überschreiten. „Iacta alea est!" läßt Sueton ihn sagen, der Würfel sei gefallen, während Plutarch darauf besteht, der im Jahre 49 v. Chr. nach längerem Zaudern gefaßte definitive und die Sprache der Humanisten maßgeblich beeinflussende Entschluß sei auf griechisch bekräftigt worden. Was die Zitierer nämlich häufig übersehen: Caesar zitierte selber, und zwar Menanders WAvEppixpöco xliOog«, der Würfel falle. Von Catull, einem anderen weisen Lateiner, stammt die Erkenntnis, das Leben der Menschen gleiche einem Würfelspiel: „Wenn der Wurf, den man ganz nötig hat, nicht fällt, verbessert man, was durch Zufall fiel, durch Kunst" Diese Kunst der Manipulation ist jahrtausendalt, überliefert auch unter dem Motto Mensch-ärgere-dich-nicht. Gleichwohl ist nicht die stumpfsinnige Kurzweil gleichen Namens gemeint, wenn das Würfeln als das älteste Glücksspiel überhaupt angesehen wird (die ältesten Würfel stammen aus viertausend Jahre alten ägyptischen Gräbern), sondern der Wurf aus dem (ledernen) Becher. „Durch Würfel, Kart und Kann wird mancher zum armen Mann", sagt ein westfälisches Sprichwort. Nichts anderes sagt Schiller, wenn er über die ästhetische Erziehung des Menschen sinniert, nur sagt er es gelehrter: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." In der Kneipe zum Beispiel. In Münster zum Beispiel. Unser Gewährsmann, beim Streifzug durch die Kneipen seiner Studienzeit einen geziemenden Streifen trinkend, gibt davon Zeugnis: Außer dem Bier ist das Spiel das einzige, was Männer wirklich ernst nehmen.

Hans-Dieter Seidel

Heft Nr. 113 vom 29 April 1982

Seitenanzahl: 47 Seiten

Sprache: Deutsch

FAM-DE.1982.nr.113

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