Frankfurter Allgemeine Heft 49 / Februar 1981 - Maske in Weiß
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Frankfurter Allgemeine Heft 49 / Februar 1981 - Maske in Weiß

Titelbild: Maske in Weiß: Theater muß nach Schminke riechen. Schicht um Schicht verliert der Schauspieler sein Gesicht, damit er ein anderes gewinnen kann: das Gesicht seiner Rolle

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Original Inhaltsbeschreibung:

  • Über Leute
  • Den Kosmos ins Wohnzimmer holen: Hoimar von Ditfurth: Dieter Vogt und Fotos Andrej Reiser
  • Grau und ansehnlich: Schieferhäuser im Bergischen Land: Fotos Gudrun Hänsel: Johannes Roth
  • Die bösen Blumen des Jean Gene: Siegfried Diehl
  • Fotos Federico Luci, Mariella Gianfranchi, Piero Orsi
  • Vom Genießen: Bei den belgischen Schlaraffen: Heinz Stadtmann, Illustration Hans Hillmann
  • Kalender der Woche
  • Fragebogen: Tomi Ungerer
  • Schach: Roswin Finkenzeller
  • Matchbox: Worum geht's?
  • Matchbox: Kreuzwort, Ortstermin, Streichholzspiel
  • Titel

Die Nagelprobe oder Zweimal das Gleiche ist noch lange nicht dasselbe

Scherz beiseite: Was hat der Tenor mit einem Nagel gemeinsam? Wer jetzt gleich meint, hier werde ein sogenanntes Problem wieder auf die Spitze getrieben, irrt für diesmal. Ausnahmsweise geht es, sprachlich betrachtet, allein um das Überschneiden von Bedeutungen ein und desselben Worts. Im Falle des Tenors macht wenigstens noch die Betonung die Musik und damit den Unterschied zwischen dem Spezialisten für hohe Töne und dem Sinn, der inhaltlichen Richtung einer Aussage. Bei den Nägeln bleibt selbst diese Hilfe versagt. Dabei macht es einen gewaltigen Unterschied, ob man sich etwas unter den Nagel oder ob man sich an einem Nagel reißt. Wo im einen Fall unrecht Gut die Mühe lohnt, straft im anderen ein wenig Blut die Sorglosigkeit.
Keineswegs vernagelt muß also sein, wer unter solchen Umständen den Durchblick verliert. Nur gelernte Etymologen vermögen stets den Nagel auf den Kopf zu treffen: Das altgermanische Wort stand ursprünglich allein für den Nagel an Fingern und Zehen, Kralle und Klaue. Die Bedeutung des - in lexikalischer Präzision runden oder mehrkantigen, am unteren Ende zugespitzten Stifts, meist aus Metall, mit flachem oder abgerundetem, gestauchtem oder gepreßtem Kopf, ist sekundär und hat sich erst in germanischer Zeit entwickelt, wahrscheinlich der Kralle zuliebe. Solche Sekundärnägel nutzte menschlicher Erfindungsgeist zum Befestigen oder Verbinden von Holzteilen untereinander oder mit anderen Bauteilen. Heutzutage kommen auch Nägel, meist aus Stahldraht gefertigt, nicht mehr ungenormt unter den Hammer. DIN 1145 bis 1163 ist allein ihnen reserviert. Unter der sprichchen Nagelprobe hat nun allerdings keine Normkontrolle, sondern eine altskandinavische Trinksitte zu verstehen. Da wird, während das geleerte Trinkgefäß umgestürzt auf dem Daumennagel keinen Tropfen übrig läßt, die ganze Sache wieder primär.

Falsche Behandlung nimmt der Nagel krumm, wörtlich - und ein schiefer Nagel ist nichts mehr wert. Ein Schiefernagel dagegen, wie er so locker über diese Seite purzelt, das Magazinthema Schieferhäuser anritzend, ist nicht nur ein höchst nützliches Ding, speziell für den einen Zweck geformt, sondern auch unser letzter Beweis, daß, sprachlich und auch sonst betrachtet, zweimal das Gleiche noch lange nicht dasselbe sein muß.

Hans-Dieter Seidel

Heft Nr. 49 / vom 6 Februar 1981

Seitenanzahl: 31 Seite

FAM-DE.1981.nr.49

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