Der Spiegel Nr.24 / 6 Juni 1966 - Kanzleramts-Minister Westrick
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Der Spiegel Nr.24 / 6 Juni 1966 - Kanzleramts-Minister Westrick

Titelbild: Kanzleramts-Minister Westrick

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Original Inhaltsbeschreibung:

Spiegel-Verlag/Hausmitteilung vom Datum: 6.Juni 1966 - Betr.: Sch.ei.er

Da den Geist dieser Zeit, nach dem Wort eines hohen Richters und klugen Essayisten, die "cellophan­-glitzernde Oberfläche" kennzeichnet (Richard Schmid: "Einwände", 1965 bei Goverts), ist es ein effektiver Kontrast, an der Spitze der Konterbürokratie zur Bon­ner Ministerialbürokratie einen Mann zu sehen, der sich in Austerity gefällt: Vordem, als Generaldirektor der Vereinigten Aluminium-Werke, fand Ludger- Westrick einen Sisal-Läufer über Linoleum zu aufwendig und liess ihn entfernen. Als Vertreter der Bundesregierung ruhr er zu einer Bergwerksveranstaltung demonstrativ im Vierzylinder, um protzig Notleidenden Bergassessoren einzutränken: "Man kann nicht· Subventionen aus Steuergeldern verlangen und mit dem Mercedes 300 vor­fahren." Die Idee zu einer SPIEGEL-Titelgeschichte über diesen Katholiken münsterscher Prägung, der heute im Bundeskanzleramt weiland Adenauers und Globkes seine schwarze Staatskunst treiben kann, entstammt dem übermüdeten Small-talk in der verkürzten Nacht eines ostwärtigen Atlantik-Flugs: Hans-Roderich Schnei­der, Chef der Bonner SPIEGEL-Dependance, und Hermann Schreiber., politischer- SPIE­GEL-Reporter mit dem Privileg der Na­menszeile über seinen Reportagen, flogen in der Kanzler-Boeing und schrieben einen Bericht über Erhards vorweihnacht­lichen Besuch bei Präsident-Johnson. Vorn, im Abteil I . Klasse , schnurchelte der Kanzler auf. einer Liegestatt. Sein Intimberater Karl Hohmann schlenderte im Pullover durch die Kabine und sah den SPIEGEL-Leuten über die Schulter. Über Stil und Technik des Palais Schauinburg nach Adenauer müsse man doch einmal , Recherchen ermöglichen, meinten Suhnei­der und Schreiber. Ministerialdirektor Hohmann stellte Rückfrage beim Kanzler in Aussicht,
Erhard verkündete offenes Haus" und führte selbst ein Stundengespräch über ,die Bundeskanzlei. Westrick klärte die Verantwortung für den Entschluss, das Palais dem SPIEGEL freizugeben, verweigerte aber , als die Verantwortung klargestellt war, nicht einem ein­zigen Beamten, den der SPIEGEL zu befragenwünschte , die Sprecherlaubnis. Schneider und Schreiber, von Westrick selbst getrennt empfangen, teilten sich die Arbeit. Schneider, anonym und funktionsexponiert
im SPIEGEL-Apparat, beschrieb namenlos das Räder­werk der Bonner Behördentechnik; Hermann Schreiper, Journalisten Star ohne sichtbare Position in der SPIEGEL-Gliederung, steuerte unter seinem Namen ein psychologisierendes Porträt des grauen Polit-Stars Westrick bei. Und bei alledem hielt die journalistische Kolleialität, die jeder flüchtige Kenner des
Schreibgewerbes schon von weitem zu Bruch prophezeien würde, als Arbeitssymbiose, in der Kanzler und Räte während der viermonatigen Nachforschungen schliess­lich Schreiber für Schneider und Schneider für Schrei­ber nahmen. Zeitig schon hatte Erhard, als er Wid­mungen in Geschenkbücher für Journalisten kalligra­phierte, fragen müssen: "Welcher ist Schreiber - der im Wahlkampf diese Reportage über mich geschrieben hat, oder der andere?" Es war der Wahlkampf-Schreiber, und wegen jenes Psychogramms über sich selbst kann Ludwig Erhard heute noch rote Ohrern bekommen. Doch dann pinselte er gefasst: "Herrn Hermann Schreiber zum freundlichen Gedenken"- "Herrn Hans-Roderich Schneider" dito.

6 Juni 1966

Seitenanzahl: 114 Seiten

Sprache: Deutsch

DS-DE.1966.nr.24

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