Der Spiegel Nr.22 / 24 Mai 1971 - Moskau intim

Original Inhaltsbeschreibung:

In diesem Heft:

• SPIEGEL-Gespräch mit dem Kanzler:
  Willy Brandt ist nach Alex Möllers Rücktritt und Karl Schillers Aufstieg optimistisch: "Wir können 1973 eine Bilanz vorlegen, die sich sehen lassen kann." Bei Wirtschaftsführern hat er festgestellt, "daß unter­nehmerische und politische Begabungen nicht durchweg zusammen­fallen". SPD-Präside Heinz Kühn weiß: "Wenn Brandt mit dem Rücken zur Wand steht, zeigt er, daß er Eisen im Blut hat.
• Neue Krise der FDP:
  Während in Bremen die SPD/FDP­ Koalition in Agonie lag, beschwor FDP-Chef Scheel seine linken Jung­demokraten: "Wollen Sie politisch etwas erreichen oder wollen Sie demonstrieren?" Aber wie die Freidemokraten noch etwas er­reichen können, weiß auch Scheel nicht Professor Maihofer entwirft ein linkes Parteiprogramm, drei Landesverbände lavieren auf Mittelkurs. Der Berliner Jungdemokrat Jürgen Kunze höhnt: "Jeder bringt sich so gut um, wie er kann,"
• "Lütjens" wieder außer Gefecht:
  Durch Unaufmerksamkeit von Besatzungsangehörigen ist die zentrale Rechenanlage des Marine-Flaggschiffs" Lütjens" unter Wasser gesetzt worden, Geschätzter Schaden: 20 Millionen Mark. Der Zerstörer war gerade aus der Werft gekommen - vierzehn Monate zuvor hatte der Kommandant die" Lütjens" in der Ostsee auf Grund laufen lassen.
• Moskaus Schlappe am Nil:
  Aus dem erbitterten Machtkampf in Ägypten gingen die Sowjets als Verlierer hervor. Gestützt auf die Armee, halfterte Nasser-Nach­folger Anwar el-Sadat alle prominenten Kreml-Freunde in Kairo ab. Washington hofft, daß Ägypten jetzt noch deutlicher vom Ostkurs abdreht und zur Neutralitätspolitik der 50er Jahre zurückkehrt.
• Das süße Leben der Kreml-Prominenz:
  Völlig vom Volk abgeschirmt, in be­wachten Wohnblocks, in reservier­ten Erholungsgebieten und Freizeit­ Klubs, mit Privilegien ausgestattet wie mittelalterliche Feudalherren so lebt die Führungsschicht der Sowjet-Union, des ersten Arbeiter­ und-Bauern-Staates. Ein intimer Kenner der Moskauer Szene, der die "neue Klasse" aus nächster Nähe beobachten konnte, beschreibt für den SPIEGEL erstmals den bisher geheimgehaltenen Lebensstil der Kreml-Prominenz.
• Marx-Renaissance zu Ende?:
  In Frankreich deutet ein philosophischer Bestseller auf einen neuen Trend: die Abkehr von marxistischen wie christlichen Hoffnun­gn auf eine bessere Welt. Der Autor, Biologe und Nobelpreis­träger Jacques Monod, erklärt solche Hoffnungen zu "Lebenslügen" , denn der Menschsel nur ein Zufallsprodukt der Natur.
• Neue Waffe gegen Viren:
  Allenfalls Impfstoffe, aber keine Heilmittel konnten die Mediziner bislang gegen die meisten Virus­krankheiten einsetzen. Nun hat der Chicagoer Biologe Paul Gordon erstmals einen Wirkstoff entwickelt, der als Breitband-Viruskiller er­folgreich getestet wurde: gegen durch Viren hervorgerufene Lungen­und Hirnhautentzündungen ebenso wie gegen Masern und Gürtelrose. Bei Grippekranken klangen die Symptome innerhalb von 24 Stunden
  Biologe Gordon nach Einnahme des Mittels ab.
• Karl Schiller und die Bundesbank:
  Fünf Stunden sprach Schiller mit dem Frankfurter Zentralbankrat. Danach verkündete er: "Es gibt keinen Zweifel daran, daß die Bundes­bank uns unterstützen wird." Westdeutschlands Devisenhändler hoffen nun, daß die Zentralbankiers den Dollarkurs bald drücken werden. Schon am vergangenen Freitag sackte der Dollarkurs auf 3,5030 ab. Das ist ein Aufwertungssatz von 3,67 Prozent.
• Kurzer Flug:
  Als die Lufthansa 1968 den Kurzstrecken-Jet "Boeing 737" erwarb, lobte der Vorstand der Fluggesellschaft seine Neuanschaffung über­schwenglich: "Optimum an Wirtschaftlichkeit", "Einmaliger Grad an Standardisierung". Jetzt - bereits nach drei Jahren - soll ein Teil der Maschinen wieder verkauft werden.
• Wein ohne Wahrheit:
  Geniale Alchimisten an der Mosel lieferten einer Winzergenossen­schaft Aromate, mit denen über einhunderttausend Liter mißratener Rebensaft zur feinen Spätlese hochgekeltert wurden. Der parfü­mierte Tropfen bestand die Kammerprämierung mit Glanz.

24 Mai 1971

Seitenanzahl: 194 Seiten

Sprache: Deutsch